Die Änderungen des Polizeigesetzes, die das Berliner Abgeordnetenhaus am 4. Dezember mit den Stimmen von CDU, SPD und AfD beschlossen hat, hebeln elementare demokratische Grundrechte aus. Die über 700 Seiten starke Novelle des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) war Mitte Juli dieses Jahres vom zuständigen Innenministerium vorgelegt worden.
Die ASOG-Reform schafft nicht nur erweiterte Befugnisse für Observation und Videoüberwachung im öffentlichen Raum, sondern legalisiert auch das heimliche Betreten von Wohnungen zur Installation sogenannter „Staatstrojaner“. Dies geht weit über die bisherige Praxis hinaus: Mit richterlicher Genehmigung dürfen Polizeibeamte künftig in Wohnungen einbrechen, um Überwachungssoftware auf Computern, Smartphones und anderen vernetzten Geräten zu installieren.
Die staatliche Spionagesoftware ermöglicht den Zugriff auf verschlüsselte Nachrichten, die Auslesung von Dateien, das Aktivieren von Mikrofon und Kamera sowie die Überwachung laufender Anwendungen – alles in Echtzeit.
Parallel dazu erweitert die Reform die Grundlagen für umfassendes Monitoring der Telekommunikation: Mit richterlicher Billigung können nicht nur laufende Verkehre, sondern auch gespeicherte Inhalte, Metadaten und die Kommunikation von „Kontaktpersonen“ – sogenannte Bystander‑Erfassung – geöffnet werden. Damit kann jedermann zum Ziel werden, der sich zufällig in Kontakt mit einer überwachten Person befand.
Die Gesetzesnovelle verleiht der Polizei auch im öffentlichen Raum weitreichende technische Befugnisse. Mit der neuen Regelung zur Funkzellenabfrage (Paragraf 26e) kann die Polizei von Netzbetreibern die Verkehrsdaten aller Mobiltelefone anfordern, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer konkret definierten Funkzelle aufgehalten haben.
Diese Massendatenerhebung erlaubt die nachträgliche Erstellung großflächiger Bewegungsprofile – ein Mittel, das nicht nur gegen konkrete Verdächtige, sondern gegen Tausende unbescholtener Menschen eingesetzt werden kann, die zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort waren, etwa Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Demonstrationen.
Paragraf 24d schafft die gesetzliche Grundlage für den flächendeckenden Einsatz automatischer Kennzeichenlesesysteme. Diese Systeme scannen kontinuierlich Nummernschilder im fließenden Verkehr und gleichen sie in Echtzeit mit Fahndungs- und Datenbanken ab. Einmal eingeführt, verwandeln sie Straßen und Zufahrten in permanente Überwachungszonen, in denen Bewegungsfreiheit nur noch bei algorithmischer Kontrolle möglich ist.
Paragraf 24h ermöglicht den Einsatz technischer Gegenmaßnahmen gegen unbemannte Systeme wie Drohnen – bis hin zur Übernahme der Steuerung dieser Geräte. Damit wird nicht nur die Kontrolle über den Luftraum ausgeweitet, sondern zugleich ein technischer Apparat geschaffen, der jede Form von kollektiver Mobilität und jede Versammlung potenziell überwachen, stören oder zum Ziel von Eingriffen machen kann.
Video‑ und KI‑gestützte Verhaltensanalyse, der Ausbau biometrischer Datensammlungen und die Zusammenführung von Polizei- und Geheimdienstdatenbanken schaffen Instrumente, mit denen Streiks, Demonstrationen und kritische Netzwerke kriminalisiert und zerschlagen werden können. Die Reform greift somit nicht nur individuelle Rechte an, sondern rüstet den Staat präventiv gegen jegliche gesellschaftliche Opposition auf.
Die Landesregierung rechtfertigt die Maßnahmen mit der Notwendigkeit, „Gefahren“ zu bekämpfen. Tatsächlich wird der Polizeistaat ausgebaut, um den Widerstand zu unterdrücken, die Spar- und Kriegspolitik zwangsläufig hervorrufen wird. Es handelt sich dabei nicht um ein isoliertes Berliner, sondern um ein internationales Phänomen. Der Polizeistaat wird weltweit ausgebaut und mit autoritären Vollmachten versehen.
Besonders aufschlussreich ist die Rolle, die die AfD bei der Verabschiedung der ASOG-Novelle spielte. Obwohl die Regierungsparteien SPD und CDU über eine komfortable Mehrheit verfügen, stimmte sie für die Ausweitung des Polizeistaats. Die Grenzen zwischen den etablierten Parteien und den Rechtsextremen verschwinden immer mehr.
Von der herrschenden Klasse aufgebaut, um die wachsende Opposition in nationalistische und rassistische Kanäle zu lenken, ist das Programm der AfD mittlerweile Regierungspolitik. Die Angriffe auf Migranten, die Abschaffung des Asylrechts, der gigantische Rüstungsetat, die Wiedereinführung der Wehrpflicht und die Angriffe auf den Sozialstaat liegen ganz auf der Line der AfD. Zugleich spitzen die Massenentlassungen in der Industrie die Klassenkonflikte immer weiter zu.
Wie ihre Schwesterparteien in Italien, Österreich, den Niederlanden und den USA, wo die AfD enge Beziehungen zu Trumps Republikanern pflegt, wird die AfD gebraucht, um einen autoritären Polizeistaat aufzubauen und gegen die Opposition der Arbeiterklasse und der Jugend vorzugehen.
