Am Montag hat der Oberste Gerichtshof der USA die brutale einwanderungsfeindliche Agenda der Trump-Regierung abgesegnet. Sechs Richter stimmten für eine entsprechende Anordnung, drei dagegen. Die ultrarechte Mehrheit der Richter gab keine Begründung für ihre Entscheidung ab.
Der Supreme Court hob damit ein Urteil einer unteren Instanz auf, das die Bundesbehörden verpflichtet hätte, Einwanderer vor einer Abschiebung in Drittländer rechtzeitig zu benachrichtigen. Die betroffenen Menschen haben zu den Drittländern keine Verbindung und ihnen drohen dort oftmals Folter oder Tod.
Die landesweite Anordnung war von einem Bundesbezirksrichter in Boston erlassen und vom Ersten Bundesberufungsgericht bestätigt worden. Sie verpflichtete das Heimatschutzministerium (DHS), einen inhaftierten Migranten mindestens zehn Tage im Voraus darüber zu informieren, wenn er in ein anderes Land als sein Heimatland abgeschoben werden soll. Wenn der Einwanderer aus Angst vor Folter oder Tod gegen diese Abschiebung Einspruch erhob und sich das DHS weigerte, die Abschiebung zu überdenken, konnte er innerhalb von 15 Tagen Berufung einlegen.
Bei der Entscheidung handelt es sich formal gesehen nur um einen Verfahrensbeschluss, der der Regierung erlaubt, weiterhin unangekündigte Abschiebungen in Drittländer durchzuführen. Das Verfahren über die Rechtmäßigkeit dieser Abschiebepraxis wird weiter vor den Bundesgerichten verhandelt und könnte sich noch Jahre hinziehen. In der Zwischenzeit würde das bedeuten, dass „Tausende dem Risiko von Folter oder Tod ausgesetzt werden“, warnen die drei liberalen Richter, die dagegen votiert haben, in einer 20-seitigen Stellungnahme.
Konkret ging es um Einwanderer, die in Länder wie Libyen und den Südsudan abgeschoben werden sollen, die von Bürgerkrieg, Massenhunger oder beidem gebeutelt sind. Doch die Entscheidung geht über den Einzelfall hinaus: Trumps Regierung droht anderen Einwanderern mit demselben Schicksal und will sie auf diese Weise dazu zwingen, aus den USA zu fliehen („Selbstdeportation“), anstatt sich in ein Land abschieben zu lassen, in dem sie die Sprache nicht sprechen, keine Verbindungen haben, von ihren Familien getrennt werden und unter ständiger Gefahr von Folter und Tod leben.
Der ursprüngliche Fall betraf acht inhaftierte Einwanderer, die die Regierung in den Südsudan abschieben wollte, obwohl nur einer tatsächlich aus diesem Land stammte. Einer sollte schließlich in sein Herkunftsland Myanmar umgesiedelt werden. Die übrigen sechs stammten aus Lateinamerika oder Südostasien und hatten entweder von ihren Heimatländern ein Einreiseverbot erhalten oder sich geweigert, zurückzukehren.
Nachdem der Bostoner Bundesrichter Brian Murphy einen Aufschub gewährt hatte, flog das Heimatschutzministerium die Migranten zu einem US-Militärstützpunkt in Dschibuti in Ostafrika, wo sie in einem Schiffscontainer festgehalten werden, bis das Berufungsverfahren abgeschlossen ist.
Eine zweite Gruppe von Einwanderern sollte Berichten zufolge nach Libyen abgeschoben werden, obwohl ihnen dort die Einreise verwehrt wird – und zwar von beiden rechten Fraktionen, die um die Kontrolle des kriegszerrütteten Lands kämpfen. In Libyen tobt seit 14 Jahren ein Bürgerkrieg, der 2011 begann, als das nationalistische Regime unter Muammar Gaddafi durch eine US-Nato-Intervention gestürzt wurde. Beide rivalisierenden Regierungen bestreiten, mit den USA eine Vereinbarung über die Aufnahme nicht-libyscher Deportierter getroffen zu haben.
Nach dem Gerichtsurteil warnte Trina Realmuto, Geschäftsführerin der National Immigration Litigation Alliance, die als Anwältin von der Abschiebung in den Südsudan bedrohte Migranten vertritt: „Die Auswirkungen der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs werden erschreckend sein. Sie nimmt unseren Mandanten grundlegende Verfahrensrechte, die sie bislang vor Folter und Tod geschützt haben.“
Realmuto und andere Anwälte von Einwanderern widerlegen die typische Behauptung der Trump-Administration, dass ihre Abschiebungen „die Schlimmsten der Schlimmen“ treffen würden. Auch in ihrer Eingabe an den Obersten Gerichtshof wiederholte die Regierung diese Lüge. In Wirklichkeit haben viele der Einwanderer, die abgeschoben werden sollen, keinerlei Vorstrafen, wie die Anwälte erklären.
Sie weisen auch auf die abstoßende Heuchelei des Heimatschutzministeriums hin: Während es Einwanderer in den Südsudan abschiebe, habe das US-Außenministerium eine Reisewarnung herausgegeben, in der alle nicht unbedingt vor Ort benötigten US-Bediensteten angewiesen werden, das Land wegen des „bewaffneten Konflikts“ und der „Kämpfe zwischen verschiedenen politischen und ethnischen Gruppen“ zu verlassen.
Generalstaatsanwalt John Sauer, der die Trump-Regierung vor dem Obersten Gerichtshof vertrat, war zuvor Trumps Anwalt im Prozess gegen die Vereinigten Staaten gewesen. In dem weitreichenden Urteil vor einem Jahr entschied der Gerichtshof, dass ein amtierender Präsident nicht für Straftaten belangt werden kann, die er in Ausübung seiner Amtspflichten begeht.
Richterin Sonia Sotomayor hat die Gegenposition im jüngsten Abschiebefall verfasst, der sich die Richterinnen Elena Kagan und Ketanji Brown Jackson anschlossen. Darin wird das Vorgehen der Richter-Mehrheit in einer Sprache kritisiert, die in Rechtsdokumenten dieser Art selten zu finden ist.
Die Trump-Regierung habe sich in eklatanter Weise über die einstweiligen Verfügungen hinweggesetzt, die von den unteren Gerichten erlassen wurden, und sei von der Mehrheit des Obersten Gerichtshofs dafür belohnt worden, schrieb Sotomayor. Die Regierung „hat zwei Gerichtsbeschlüsse offen missachtet – darunter auch den, gegen den sie jetzt rechtliche Entlastung sucht… Es ist nicht das erste Mal, dass das Gericht die Augen vor einer Missachtung verschließt, und ich fürchte, es wird auch nicht das letzte Mal sein.“
Sie fuhr fort: „Die Regierung hat in Wort und Tat deutlich gemacht, dass sie sich nicht an das Gesetz gebunden fühlt und jeden ohne Vorankündigung oder Gelegenheit zur Anhörung abschieben kann. Die Folgen der Missachtung der gerichtlichen Anordnung in diesem Fall zeigen die Risiken.“
Unter Verweis auf die knapp verhinderte Abschiebung zweier Gruppen von Inhaftierten – die eine sollte nach Libyen, die andere in den Südsudan gebracht werden – , schrieb Sotomayor: „Nur die sorgfältige Behandlung dieses Falls durch das Bezirksgericht hat Schlimmeres verhindert. Doch heute behindert das Gericht diese Verfahren und setzt damit Tausende dem Risiko von Folter oder Tod aus.“
Obwohl Nicht-Staatsangehörige vor ihrer Abschiebung das Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren, einschließlich einer gerichtlichen Anhörung, haben, würde die Trump-Regierung „dieses Verfahren komplett überspringen und Nicht-Staatsangehörige einfach von der Straße in Busse oder Flugzeuge und außer Landes bringen“.
„Die ‚Due Process Clause‘ [Klausel für ein ordentliches Verfahren] steht für den Grundsatz, dass unsere Regierung ‚eine Regierung der Gesetze und nicht der Menschen ist und dass wir uns den Regierenden nur unterwerfen, wenn sie selbst an Regeln gebunden sind‘“, schrieb Sotomayor und bezog sich damit auf die berühmte Aussage des zweiten amerikanischen Präsidenten John Adams. „Indem das Gericht Gesetzlosigkeit belohnt, untergräbt es einmal mehr dieses Grundprinzip“, ergänzte sie.
Sie schloss mit den Worten: „Das Gericht hält es offenbar für akzeptabler, dass Tausende Menschen in weit entfernten Ländern Gewalt erleiden, als dass ein Bezirksgericht vielleicht minimal seine Befugnisse überschreitet, wenn es verlangt, dass die Regierung die Kläger vorab informieren und ein rechtsstaatliches Verfahren bieten muss, wie es ihnen laut Verfassung und Gesetz eigentlich zusteht. Diese Ausübung richterlichen Ermessens ist ebenso unverständlich wie unentschuldbar.“
Das Urteil wird unmittelbar dazu führen, dass ganze Schiffsladungen von Einwanderern nach El Salvador, in den Südsudan, nach Libyen oder in andere Länder deportiert werden, deren Regime im Gegenzug von der US-Regierung bestochen werden – sei es auf finanziellem, militärischem oder politischem Weg.