Israels Angriff auf den Iran, der am Freitagabend begann, ging am Sonntag in eine neue Stufe über. Nach der Zerstörung großer Teile der iranischen Luftabwehr und Angriffen auf militärische Einrichtungen und Atomanlagen ist Israel zu Angriffen auf zivile Infrastruktur übergegangen, darunter Wasseraufbereitungsanlagen und die Energieinfrastruktur.
Nach Angaben des israelischen Militärs wurden in der Nacht von Samstag auf Sonntag mehr als 80 Ziele im Iran getroffen. Die Washington Post schreibt: „Einwohner von Teheran berichteten am Sonntagnachmittag von der bisher schwersten Angriffswelle, bei der alle halbe Stunde Explosionen zu hören waren.“
Die Angriffe richteten sich u.a. gegen Wasseraufbereitungsanlagen im Norden des Iran, deren Zerstörung zu Abwasserwellen in den Straßen Teherans führte. Am Samstag griff Israel die wichtigste Ölraffinerie in Teheran und das weltweit größte Erdgasfeld South Pars an.
Am Sonntag weitete Israel seine Angriffe auf Flughäfen, Produktionsstätten und Polizeistationen aus.
Die Post schreibt über diese Verlagerung: „Die Auswahl der Ziele deutet auf eine Ausweitung der israelischen Kriegsziele hin... Laut Analysten und ehemaligen Offiziellen will Israel durch Angriffe auf die iranische Industrie und Infrastruktur den iranischen Staat schwächen, die ohnehin marode Wirtschaft des Landes weiter beschädigen und möglicherweise einen Regimewechsel herbeiführen.“
Richard Nephew, ein ehemaliger Vertreter des US-Außenministeriums und des Weißen Hauses, erklärt gegenüber der Washington Post: „Es wirkt tatsächlich so, als laufe es auf einen Regimewechsel hinaus, statt nur das Atomprogramm zu zerstören. ... Israel könnte beschlossen haben, der beste Weg, den Iran an der Entwicklung von Atomwaffen zu hindern, bestehe darin, das iranische Regime zu stürzen.“
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wurde am Sonntag in einem Interview mit Fox News gefragt, ob seine Regierung einen „Regimewechsel“ im Iran anstrebt. Darauf antwortete er, das „könnte sicherlich das Ergebnis sein, denn das iranische Regime ist sehr schwach“.
Netanjahu betonte auch das Ausmaß der Zusammenarbeit zwischen den USA und Israel: „Ich stand ständig in Kontakt mit Präsident Trump... Wir haben unsere amerikanischen Freunde und Präsident Trump, unseren großen Freund, im Vorfeld informiert. Er wusste Bescheid.“
Netanjahu betonte auch das Ausmaß der amerikanischen Beteiligung an dem Krieg: „Amerikanische Piloten schießen Drohnen ab, die auf Israel zusteuern, genau wie unsere Piloten. Amerikanische THAAD-Raketenbatterien helfen uns, Tel Aviv und die Metropolregion zu verteidigen. Amerikanische AEGIS-Schiffe operieren im Mittelmeer.“
Am selben Tag forderte John Bolton, einer der Architekten des Irakkriegs, in einer Kolumne im Wall Street Journal die USA auf, einen Regimewechsel im Iran anzustreben.
Bolton erklärte: „Die Islamische Revolution von 1979 ist in Teheran noch an der Macht und könnte ihr Atom- und Raketenprogramm und ihre Terrornetzwerke wieder aufbauen. Die einzige dauerhafte Grundlage für Frieden und Sicherheit im Nahen Osten ist der Sturz der Ajatollahs. Genau das sollte Amerikas erklärtes Ziel sein.“
Am Sonntag bestätigte die iranische staatliche Nachrichtenagentur, dass der Geheimdienstchef der iranischen Revolutionsgarde bei israelischen Angriffen getötet wurde.
Bisher wurden seit Beginn der israelischen Angriffe auf den Iran am Freitag mehr als 224 Menschen getötet. Bei iranischen Vergeltungsangriffen auf Israel kamen 14 Menschen ums Leben.
Weitere Berichte in der Presse verdeutlichen die Perfidie und Kriminalität des israelischen Angriffs, der durch die betrügerischen Aufrufe der USA zu Verhandlungen ermöglicht wurde. Nur wenige Stunden vor dem israelischen Angriff am Freitagabend hatte die Trump-Regierung eine neue Verhandlungsrunde über das Atomprogramm in Oman am selben Wochenende angekündigt.
Die New York Times berichtet unter Berufung auf „Vertreter aus dem Umfeld der iranischen Führung“, diese hätten „niemals damit gerechnet, dass Israel vor einer weiteren Verhandlungsrunde, die für den kommenden Sonntag in Oman angesetzt war, angreifen würde“.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Daher waren „ranghohe militärische Befehlshaber in der Nacht von Israels Angriff nicht in sicheren Unterkünften, sondern in ihren Privathäusern – eine verhängnisvolle Entscheidung. General Amir Ali Hajizadeh, Befehlshaber der Luft- und Raumfahrteinheit der Revolutionsgarde, und sein Führungsstab ignorierten eine Anordnung, sich nicht an einem Ort zu versammeln.“
Die Trump-Regierung war eindeutig aufs Engste in die israelische Aggression eingebunden, einschließlich des perfiden Schachzugs, die Atomgespräche als Deckmantel für die erste Angriffsrunde zu nutzen. Nun mehren sich innerhalb des politischen Establishments der USA die Forderungen nach einer direkten Beteiligung des US-Militärs an der Bombardierung des Iran.
Das Wall Street Journal fordert in einem Leitartikel vom 15. Juni direkte US-Bombenangriffe auf den Iran: „Für den strategischen Sieg Israels wird von zentraler Bedeutung sein, ob man die wichtigsten Atomwaffenstandorte des Irans zerstören kann, und dieser Versuch verdient amerikanische Hilfe.“
Die Zeitung schreibt, die Bemühungen, die iranischen Atomreaktoren zu zerstören, sei der Punkt, wo die USA ins Spiel kommen: „Israel hat keine Bomben, die tief in den Boden eindringen können, und auch keine schweren Bomber, um sie abzuwerfen und dadurch mehr Schaden an den unterirdischen Anlagen anzurichten. Die USA haben beides, und Israel hätte gerne die Hilfe der USA bei der Zerstörung dieser Atomanlagen.“
„Jetzt, wo der Krieg im Gange ist, haben die USA ein strategisches und moralisches Interesse daran, die atomare Bedrohung durch den Iran zu zerstören und Israel einen schnellen Sieg zu ermöglichen.“
Am Samstag ebnete Trump den Weg für eine direkte Beteiligung der USA am Angriff auf den Iran. Er erklärte, wenn die USA „in irgendeiner Art und Weise vom Iran angegriffen werden, werden die US-Streitkräfte ihre volle Stärke und Macht in einem Ausmaß gegen sie einsetzen, wie man es noch nie erlebt hat“.
Die Demokraten unterstützen derweil offen den völkerrechtswidrigen israelischen Angriff auf den Iran. Der Demokratische Abgeordnete Adam Schiff befürwortete in einem Interview mit NBC Sunday den Angriff auf den Iran und erklärte: „Ich glaube, Israel hat dies für den geeigneten Moment gehalten, gegen ein Atomprogramm vorzugehen, das der Verwirklichung immer näher gekommen ist. Deshalb unterstütze ich dieses Vorgehen. Und ich unterstütze die Maßnahmen der [US-]Regierung, die Israel dabei helfen, sich zu verteidigen.“
Schiff hielt sich die Möglichkeit offen, die Bombardierung des Irans durch die USA zu unterstützen: „Wenn der Iran die USA angreift, auch wenn die Regierung sehr deutlich gemacht hat, dass wir uns nicht an den offensiven Operationen gegen den Iran beteiligen. Wenn sie mit einem Angriff auf uns reagieren, dann sollten wir uns verteidigen. Und dann, denke ich, riskiert der Iran mögliche Angriffe auf [die Urananreicherungsanlage] Fordow oder anderswo.“