Perspektive

Nato-Mächte bereiten sich auf Weltkrieg vor: Verteidigungsminister vereinbaren größte Aufrüstung seit 1945

Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius, links, der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerow, Mitte, und der britische Verteidigungsminister John Healey bei einer Pressekonferenz im April 2025 [AP Photo/Geert Vanden Wijngaert]

Bei ihrem jüngsten Treffen am Mittwoch in Brüssel legten die Verteidigungsminister der 32 Nato-Mitgliedsstaaten den Grundstein für die größte militärische Aufrüstung in der Geschichte des Bündnisses. Schon in zwei Wochen soll dazu auf dem Nato-Gipfel in Den Haag (24.–25. Juni) ein offizieller Beschluss gefasst werden. Damit haben die Vorbereitungen auf eine direkte militärische Konfrontation mit Russland und auf weitere Kriege überall auf der Welt eine neue Stufe erreicht.

Wenige Tage, bevor die Nato-Verteidigungsminister zusammentraten, hatte die Ukraine russische Flugplätze mit Drohnen und Raketen angegriffen. Es ist davon auszugehen, dass diese groß angelegten Angriffe, die bis tief ins Landesinnere reichten, in Abstimmung mit der Nato geplant und durchgeführt wurden. Genau diese Art der Eskalation – die direkte Kriegsführung gegen Russland – soll durch die Entscheidungen, die in Brüssel getroffen wurden, untermauert werden. Wie die World Socialist Web Site gewarnt hat, läuft die Entwicklung auf einen offenen Krieg zwischen Atommächten zu, der zur Vernichtung der menschlichen Zivilisation führen könnte. (Angriff auf russische Flughäfen: Nato riskiert nukleare Katastrophe)

Die Verteidigungsminister haben in Brüssel vor allem neue militärische „Fähigkeitsziele“ für das nächste Jahrzehnt verabschiedet. Gestützt auf eine umfassende „Bedrohungsanalyse“ soll die Einsatzbereitschaft der Nato massiv ausgebaut werden. Laut Nato-Generalsekretär Mark Rutte macht das Bündnis einen „riesigen Sprung nach vorn“ und wird zu einem „stärkeren, gerechteren und tödlicheren Bündnis“, wie er Anfang Juni auf einem Treffen der Bukarest-Neun-Gruppe (B9) und der nordischen Staaten in Vilnius betonte.

Den Plänen zufolge sollen große Manöververbände, Luft- und Raketenabwehr, Langstreckenwaffen und Logistik-Infrastruktur in großem Stil aufgebaut werden. Rutte machte klar, dass dies nur mit drastisch erhöhten Militärausgaben möglich ist: „Wir brauchen deutlich höhere Verteidigungsausgaben. Das ist die Grundlage von allem.“

Der bisherige Richtwert von 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), der 2014 auf dem Nato-Gipfel in Wales beschlossen wurde, gilt als überholt. Rutte erklärte offen, angesichts von Russlands Rüstungsproduktion und der globalen Lage würden „2 Prozent nicht ausreichen“. Das neue Ziel liegt bei 5 Prozent. Allein für die Umsetzung der beschlossenen Ziele sind laut Rutte 3,5 Prozent nötig. Doch um wirklich kriegsbereit zu sein, bedürfe es mindestens 5 Prozent. Wörtlich sagte er:

Wenn ein Panzer keine Brücke überqueren kann, wenn unsere Gesellschaften nicht auf einen Kriegsfall vorbereitet sind, wenn wir keine Verteidigungsindustrie aufbauen – dann sind 3,5 Prozent schön und gut, aber damit kann man sich nicht wirklich verteidigen. Wenn man etwa 3,5 Prozent für die elementare Verteidigung ausgibt, dann muss man insgesamt ganz klar … 5 Prozent für Verteidigungszwecke aufwenden.

Während einige europäische Staaten ihre neue Kriegsbereitschaft öffentlich kaum thematisieren – wegen der weitreichenden Folgen und der Ablehnung in der Bevölkerung – geht der deutsche Imperialismus besonders aggressiv voran. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) begrüßte die neuen Ziele ausdrücklich. Deutschland als größte Volkswirtschaft Europas werde eine zentrale Rolle spielen. Es übernehme traditionell das zweitgrößte Paket an Fähigkeiten nach den USA und werde diesen Anteil deutlich erhöhen. Deutschland werde die Großverbände des Heeres, die Korps und Divisionen und vor allem die Kampfbrigaden, in den kommenden Jahren voll ausstatten. Pistorius sprach von einem „Kraftakt“ für eine ganze Generation.

Der für Deutschland geplante Kriegshaushalt sprengt alle bisherigen Maßstäbe. Mit dem 2022 beschlossenen „Sondervermögen“ in Höhe von 100 Milliarden Euro und dem weiteren Fonds über 1 Billion Euro, der dieses Jahr beschlossen wurde, steigen die jährlichen Verteidigungsausgaben rasant. Politiker aus Regierung und Opposition fordern eine Erhöhung auf 5 Prozent des BIP – das wären rund 225 Milliarden Euro pro Jahr. Die herrschende Klasse bereitet sich unverkennbar auf einen totalen Krieg vor.

Diese Militarisierung hat weitreichende Folgen für die Arbeiterklasse. Pistorius stellte im öffentlich-rechtlichen Rundfunk klar, wer dafür bezahlen soll: „Mit Sozialleistungen und mit Bildung lässt sich dieses Land nicht verteidigen.“ Die Regierung verschiebt bereits Haushaltsgelder von sozialen und ökologischen Projekten in die Rüstung. So stellt die EU nicht verbrauchte Corona-Hilfen nun für Rüstungsprojekte bereit – Mittel, die ursprünglich für Klima- und Digitalprojekte vorgesehen waren.

Russland ist nicht die einzige Zielscheibe der Nato-Strategie. Rutte sprach von einem wachsenden „Lager der Gegner“: „Schauen Sie auf China, Nordkorea, Iran und Russland…“ Der Kriegsdrang ist global. Die Nato will ihre Truppen nicht nur heute, sondern auch „in drei bis fünf Jahren“ gegen jede Bedrohung einsatzfähig halten.

Deshalb erhöht die Nato massiv die Rüstungsproduktion, auch in Europa. Ihre Vertreter fordern „Zusatzschichten“ und neue Fertigungslinien. Im Verteidigungsplanungsprozess der Nato wird die militärische Aufrüstung mittlerweile direkt mit der Umstrukturierung der Wirtschaft verknüpft. In Deutschland soll ein „Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz“ die Beschaffung vereinfachen und die Produktionskapazitäten steigern. Die Regierung will zudem nach schwedischem Vorbild einen „Neuen Wehrdienst“ auf freiwilliger Basis einführen, um schnell neue Soldaten für die Bundeswehr zu gewinnen.

Hinter Begriffen wie „Sicherheit“ und „Verteidigung unseres Lebensstils“ steckt eine skrupellose imperialistische Agenda. Der deutsche Kapitalismus nutzt den Ukraine-Krieg, um die letzten militärischen Fesseln abzustreifen, die ihm nach dem Fall des Nazi-Regimes angelegt wurden, und sich zur dominierenden Militärmacht Europas aufzuschwingen. Bereits im Herbst 2023 hatte Pistorius erklärt, Deutschland müsse „kriegstüchtig“ werden. CDU-Chef Friedrich Merz kündigte nun bei seiner ersten Bundestagsrede als Kanzler an, die Bundeswehr solle zur „stärksten konventionellen Armee Europas“ werden.

Diese Politik, die früher der extremen Rechten vorbehalten war, ist heute die offizielle Regierungslinie. CDU-Politiker wie Außenminister Johann Wadephul und AfD-Funktionäre fordern seit Langem 5 Prozent fürs Militär. Nun ist es Realität – mit Unterstützung von CDU und SPD.

Der wahnwitzige Kriegskurs der deutschen Regierung wird in der Praxis von allen großen Parteien mitgetragen. Die Grünen, einst pazifistisch, sind heute aggressive Verfechter des Militarismus. Sie stellen sich uneingeschränkt hinter den Bundeswehr-Einsatz gegen Russland.

Die Linkspartei kritisiert einige Maßnahmen, doch nur, um die Kriegspolitik der Regierung zu verschleiern und den Widerstand in der Bevölkerung einzudämmen. Sie stimmte im Bundesrat für die Kriegskredite in Höhe 1 Billion Euro und trug später maßgeblich dazu bei, eine Verzögerung der Wahl von Merz im Bundestag zu verhindern.

Die Folgen dieser Aufrüstungspolitik sind katastrophal. Die Herrschenden führen nicht nur Krieg in Europa, sondern auch Krieg gegen soziale und demokratische Rechte im Innern. Wie vor dem Ersten und Zweiten Weltkrieg reagieren die Eliten auf innere Krisen und internationale Spannungen mit Krieg und Diktatur.

Arbeiter und Jugendliche müssen jetzt Konsequenzen ziehen. Die Kriegspolitik der Nato kann nur durch eine unabhängige politische Mobilisierung der Arbeiterklasse in Europa und weltweit gestoppt werden. Das kapitalistische System, das Kriege hervorbringt, muss abgeschafft werden. Die dringende Aufgabe ist der Aufbau einer sozialistischen Antikriegsbewegung, die Arbeiter aller Länder auf der Grundlage eines internationalen Programms vereint.

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