In der Metallindustrie Kantabriens, einer autonomen Region an der Nordküste Spaniens, findet der größte Arbeitskampf der jüngsten Zeit statt, mit Tausenden von Arbeitern, die ihren Streik den zweiten Tag in Folge fortsetzen. Kleine wie auch große Unternehmen und Zulieferer sind gleichermaßen von dem Stillstand betroffen, und falls in den Vermittlungsgesprächen am Ende dieser Woche keine Lösung erzielt wird, könnte es zum unbefristeten Streik kommen. Nächste Woche wollen darüber hinaus 27.000 Metallarbeiter im südspanischen Cádiz in den Streik treten, und in Cartagena im Südosten des Landes werden bei den Navantia-Schiffswerften, dem größten Rüstungsunternehmen Spaniens, Streikmaßnahmen vorbereitet.
Beim Streik in Kantabrien, zu dem die Gewerkschaftsverbände CCOO, UGT und USO aufgerufen haben, kam es im Vergleich zum ersten Tag sowohl bei den Aktivitäten der Streikposten als auch bei der Beteiligung der Arbeiter zu einer deutlichen Zunahme. Die Beteiligung, die laut Gewerkschaftsangaben bei etwa 95 Prozent lag, zwang zahlreiche Unternehmen zur Schließung, darunter auch solche mit eigenen Tarifverträgen.
Unternehmen wie Global Steel Wire, Teknia, Solvay und Sidenor haben den Betrieb eingestellt, einige davon nicht wegen der direkten Beteiligung am Arbeitskampf, sondern weil ihre Leiharbeiter nicht zur Arbeit erschienen. Mit der Fortsetzung des Streiks kam es in der gesamten Region zu Verkehrsbehinderungen, da an fast allen wichtigen Zugangspunkten zu Industriegebieten die Straßen blockiert und Streikposten aktiv waren. Aus den Städten Santander, Guarnizo, Reinosa und Ampuero wurden Barrikaden und brennende Reifen gemeldet, die von der Bereitschaftspolizei überwacht wurden.
Im Industriegebiet von Candina wurde eine wichtige Kreuzung durch einen Lastwagen blockiert, während in der Nähe von Kreisverkehrsinseln Feuer brannten. In Santander, der Hauptstadt der Region, mussten wichtige Buslinien umgeleitet oder ausgesetzt werden, weil es Probleme mit der Zufahrt zu ihren Depots gab.
Die Ursachen für den Streik gehen weit über die jüngsten Versuche der Arbeitgeber hinaus, bei den Verhandlungen einen Abschluss unterhalb der Inflationsrate durchzusetzen und bestehende Errungenschaften wie Verbesserungen beim Urlaubsgeld und Nachtzuschläge
rückgängig zu machen. Im Grunde ist er eine Reaktion auf den Verrat des Gewerkschaftsapparats am Metallarbeiterstreik von 2022. Die Arbeiter fordern derzeit eine bescheidene Lohnerhöhung von 3,5 Prozent, die bereits weit unter dem realen Anstieg der Lebenshaltungskosten liegt. Doch sogar diese begrenzte, von den Gewerkschaften selbst aufgestellte Forderung wird von den Arbeitgebern abgelehnt.
Im Jahr 2022 brachen die Gewerkschaften nach 21 Tagen einen Streik von Zehntausenden Arbeitern ab und unterzeichneten einen Ausverkaufsvertrag, der Lohnerhöhungen unterhalb der Inflationsrate durchsetzte. Höhepunkt dieses Streiks war am 15. Juni 2022 die größte Demonstration in Santander seit Jahrzehnten, die von der arbeitenden Bevölkerung der Stadt massiv unterstützt wurde. Doch die Gewerkschaftsbürokratien demobilisierten die Bewegung schließlich und ermöglichten den Arbeitgebern damit den Sieg. Die Arbeiter reagierten mit Empörung auf die Unterdrückung des militanten Widerstands und die Durchsetzung der Forderungen des Metallarbeitgeberverbands Pymetal.
Heute folgt die Gewerkschaftsführung dem gleichen Drehbuch wie 2022: den Kampf isolieren, einen kontrollierten Streik inszenieren und die Arbeiter über die Agentur für die außergerichtliche Beilegung von Arbeitskonflikten (ORECLA), eine regionale Vermittlungsstelle, an Hinterzimmer-Verhandlungen mit Pymetal binden.
Die nächste Verhandlungsrunde fand am Freitag statt, und die Gewerkschaften warnten bereits vor einer unbefristeten Fortsetzung des Streiks ab Montag, dem 9. Juni, wenn es nicht zu einer Einigung kommt.
Während der Aktionen am Dienstag rief César Conde, Generalsekretär des Industrieverbands beim CCOO zu einer höheren Streikbeteiligung auf, weigerte sich aber, die 306.000 Metallarbeiter in ganz Spanien, geschweige denn die Arbeiter anderer Branchen zur Teilnahme am Kampf aufzurufen. Er erklärte: „Wir brauchen mehr Leute an den Streikposten. Dank ihnen und den Arbeitern, die den Streik unterstützt haben, haben heute viele große und kleine Unternehmen ihre Werke nicht geöffnet.“ Obwohl die CCOO die größte Gewerkschaft der Branche ist, weigert sie sich immer noch, den Kampf über Kantabrien hinaus auszuweiten.
inzwischen bereiten die Metallarbeiter in der Provinz Cádiz eine erneute Konfrontation mit dem Arbeitgeberverband der Metallindustrie FEMCA vor. Der CCOO und die UGT haben Streiks für den 17. und 18. Juni angekündigt. Ab dem 23. Juni wäre ein unbefristeter Streik möglich, falls keine Einigung erzielt wird.
Im Mittelpunkt des Arbeitskampfs stehen die ins Stocken geratenen Verhandlungen über ein neues Tarifabkommen auf Provinzebene, nachdem das alte im Dezember 2023 ausgelaufen war. Eine zentrale Forderung der Arbeiter ist die Abschaffung des dualen Lohnsystems, das nach 2014 eingestellte Arbeiter von der Prämie für toxische Arbeit ausschließt, was zu Lohnunterschieden von bis zu 180 Euro pro Monat für Beschäftigte in denselben Berufen führt. Die Arbeiter fordern außerdem Regelungen und Schutz für dauerhafte Saisonarbeitskräfte und rückwirkende, an die Inflation gekoppelte Lohnerhöhungen, die ab dem 1. Januar 2024 gelten sollen.
In diesen Forderungen zeigt sich die wachsende Wut über die zunehmende Ausbeutung und die Komplizenschaft der Gewerkschaften in der Vergangenheit. Die FEMCA behauptet, sie habe eine Erhöhung von drei Prozent für 2024 und eine 2,8-prozentige Erhöhung für 2025 angeboten, doch die Arbeiter sind der Ansicht, dass dies weit hinter ihren zentralen Forderungen zurückbleibt.
Im Jahr 2021 waren die Streikenden mit staatlicher Unterdrückung konfrontiert, u.a. weil die PSOE-Podemos-Regierung gepanzerte Fahrzeuge und Bereitschaftspolizei einsetzte. Letztendlich wurde dieser Streik von den gleichen Gewerkschaftsbürokratien beendet, die sich jetzt als Führer des Kampfs inszenieren, während sie in Kantabrien Lohnerhöhungen unterhalb der Inflationsrate zugestimmt haben.
Auch in den Schiffswerften von Navantia in Cartagena, einem der wichtigsten Staatsunternehmen Spaniens, wächst die Wut. Navantia ist auf den Bau von Kriegsschiffen und U-Booten spezialisiert, vor allem auf die U-Boote der S-80-Plus-Klasse. Das Unternehmen beschäftigt rund 5.000 Arbeiter direkt, und landesweit sichern seine Aktivitäten über 27.000 Arbeitsplätze. In der Region Murcia sind zehn Prozent der Industriearbeiter bei Navantia angestellt.
Die Arbeiter in der Werft von Cartagena und den Zulieferbetrieben sind trotz ihrer militärisch-strategischen Bedeutung und der großzügigen staatlichen Finanzierung des Unternehmens mit einer Verschlechterung ihrer Bedingungen konfrontiert. Der umfangreiche Einsatz von Leiharbeitern, ihre ungleiche Bezahlung und der fehlende Schutz haben zu wachsender Wut geführt. Es kam bereits zu gemeinsamen Protesten von Festangestellten und Leiharbeitern für sichere Arbeitsplätze und menschenwürdige Bedingungen.
Die Metallarbeiter in Kantabrien, Cádiz und Cartagena sind nicht nur mit ihren regionalen Arbeitgeberverbänden und den verräterischen Manövern der Gewerkschaftsbürokratie konfrontiert, sondern auch mit der ganzen Macht der PSOE/Sumar-Regierung. Diese hat immer wieder gezeigt, dass sie nicht zögern wird, Bereitschaftspolizei und Unterdrückung einzusetzen, um die Profite der Großkonzerne zu verteidigen.
Doch über Spaniens Grenzen hinaus läuft diese wachsende Welle von Militanz der Arbeiter dem Kurs der Europäischen Union direkt zuwider, die das größte Aufrüstungsprogramm seit den 1930ern umsetzt. Navantia sowie die gesamte spanische und europäische Metallindustrie stellen eine zentrale Säule dieser Kriegsmaschinerie dar. Sie bauen U-Boote, Kriegsschiffe und Marinesysteme, die von entscheidender Bedeutung für die zunehmende Aufrüstung der Nato sind.
Die Arbeitgeber, Gewerkschaftsverbände, der spanische Staat und die EU sind sich alle bei einem Ziel einig: jede Störung des Aufrüstungsprogramms zu verhindern. Sie sind entschlossen zu verhindern, dass die Forderungen der Arbeiter nach angemessenen Löhnen und sicheren Arbeitsplätzen ihre Kriegswirtschaft beeinträchtigen. Daher werden sich die Lohnkämpfe immer schneller zu einer politischen Konfrontation mit den Prioritäten auf dem Gebiet des Militarismus und der Sparpolitik der europäischen herrschenden Klasse entwickeln.
Aus diesem Grund isolieren die Gewerkschaftsbürokratien jeden Streik, schränken die Forderungen ein und handeln hinter verschlossenen Türen Ausverkäufe aus. Selbst ein begrenzter Sieg der Arbeiter würde zeigen, dass die Milliarden Euro, die für Krieg aufgewandt werden, auch in Löhne, Renten, Schulen, Gesundheitsversorgung und wichtige Infrastruktur fließen könnten.
Die natürlichen Verbündeten der spanischen Arbeiter sind weder die korrupten Gewerkschaftsführungen, noch die Parteien in Madrid und Brüssel, die alle hinter dem Krieg stehen, einschließlich Sumar und Podemos. Es sind die Arbeiter in ganz Europa, in Frankreich, Deutschland, Italien, dem Vereinigten Königreich und anderen Ländern, die ebenfalls mit steigenden Preisen, stagnierenden Löhnen und den kollabierenden öffentlichen Dienstleistungen konfrontiert sind, während ihre Regierungen das Geld in die Todesmaschinerie pumpen.
Ein bewusster Bruch mit den Gewerkschaftsbürokratien und der Aufbau neuer, unabhängiger Aktionskomitees sind dringend erforderlich. Sie müssen von den Arbeitern selbst demokratisch kontrolliert werden, um diese Kämpfe über alle Branchen, Regionen und Grenzen hinweg zu vereinen. Diese Komitees können die Grundlage für eine politische Gegenoffensive der Arbeiterklasse bilden, die die Arbeiter nicht nur im Kampf gegen Austerität und Ausbeutung, sondern auch gegen das Abgleiten des Kapitalismus in Völkermord und Krieg vereint.