Gaza: Mehr als 600 Getötete oder Verwundete an Lebensmittelausgabestellen in der letzten Woche

Palästinenser während der Trauerfeier für Reem Al-Akhras in Chan Yunis am 3. Juni 2025. Sie wurde auf dem Weg zu einer Ausgabestelle für Hilfsgüter getötet. [AP Photo/Abdel Kareem Hana]

Seitdem Israel die Verteilung von Lebensmitteln unter Aufsicht der „Gaza Humanitarian Foundation“ gestellt hat, haben israelische Soldaten an den Ausgabestellen fast jeden Tag Massaker angerichtet.

Der Euro-Med Human Rights Monitor veröffentlichte am Dienstag eine Stellungnahme, laut der innerhalb der letzten Woche mehr als 600 Palästinenser bei israelischen Angriffen auf Menschenmengen an den Ausgabestellen für Lebensmittel getötet oder verwundet wurden.

Bevor die USA und Israel ihre „Hilfsoperation“ begannen, hatten Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen, darunter die UN, gewarnt, der Plan sei lediglich ein Versuch, die restliche Bevölkerung des Gazastreifens in den Süden zu locken. In Vorbereitung des Plans der USA und Israels, den Gazastreifen durch Ausweisung der Bevölkerung ethnisch zu säubern, würden sie dort zunächst in Konzentrationslagern zusammengepfercht.

Seither wurde bekannt, dass die „Hilfszentren“ einem noch übleren Zweck dienen: Sie dienen nicht nur als Ausgangspunkt für wahllose Massaker, sondern offenbar auch für die gezielte Tötung von Teilen der hungernden Menge. Sie sind keine humanitären Lebensadern, sondern Todeszonen.

Am Dienstag verübten israelische Soldaten ein weiteres Massaker bei einer Ausgabestelle für Hilfsgüter in Rafah, bei dem 27 Menschen getötet und 90 verwundet wurden. Am Montag wurden unter nahezu gleichen Umständen drei Menschen getötet und Dutzende verwundet. Zuvor wurden bei einem Massaker am Sonntag 30 Menschen getötet und 170 verwundet.

Im Bericht des Euro-Med Monitor hieß es: „Laut Aussagen und Informationen, die von Mitarbeitern des Euro-Med vor Ort gesammelt wurden, haben Scharfschützen der israelischen Armee vorsätzlich und direkt auf hungernde Zivilisten geschossen, hauptsächlich auf die Köpfe, obwohl offensichtlich keine Gefahr für israelische Truppen bestand.“

Ein Überlebender erklärte gegenüber dem Euro-Med Monitor: „Heute flog um etwa 3:50 Uhr morgens ein israelischer Quadrokopter über die Menge von Zivilisten und machte Fotos von ihnen. Dann eröffnete das Militär von einem nahegelegenen Kran aus das Feuer. Ich habe persönlich drei Menschen mit Kopfschüssen getragen. Die meisten Verletzungen waren am Kopf. Die Leute wollten Nahrungsmittel, um ihren Hunger zu stillen. Stattdessen kamen sie entweder tot oder verwundet zurück.“

A. B. (38), ein weiterer Zeuge, erklärte gegenüber dem Team von Euro-Med Monitor: „Um etwa 5:45 Uhr morgens haben wir es in das Zentrum geschafft und ich konnte ein Hilfspaket erhalten. Auf dem Weg raus traf ich eine Frau um die 40, die sagte, sie könnte nicht mehr weiter und ihre Kinder würden unter Hunger und Armut leiden. Ich gab ihr mein Paket und ging zurück, um noch eins zu bekommen, aber es war nichts mehr da. Über uns flog ein Quadrokopter, der Beleidigungen abspielte, wie: ‚Haut ab, ihr Tiere, es ist nichts mehr da‘.“

Er berichtete weiter: „Als ich beim Ausgang ankam, sah ich, wie ein Kind laut schrie: ‚Mama, steh auf, Mama, steh auf.‘ Ich kam näher und sah, dass die Frau, der ich mein Paket gegeben hatte, tot in einer Blutlache lag. Zusammen mit einer Gruppe junger Männer trug ich sie raus und legte sie in einen Krankenwagen. Ich ging mit ihrem Sohn zum Krankenhaus. Auf dem Weg, entlang der Straße am Meer, sah ich sieben Leichen am Wegesrand.“

Hilfesuchende, die Nahrungsmittel erhalten wollen, müssen lange anstehen und sich Scans zur Gesichtserkennung unterziehen. Die Aussagen gegenüber dem Euro-Med Monitor deuten möglicherweise darauf hin, dass die derzeitigen Massaker keine willkürlichen Massentötungen sind, sondern dass die Scans zur Gesichtserkennung für gezielte Tötungen an den Ausgabestellen benutzt werden.

Am Mittwoch legten die USA im UN-Sicherheitsrat zum fünften Mal ihr Veto gegen eine Resolution ein, die einen Waffenstillstand im Gazastreifen gefordert hatte. Vierzehn andere Mitglieder des Sicherheitsrates hatten für die Resolution gestimmt, in der die humanitäre Lage im Gazastreifen als „katastrophal“ bezeichnet wurde und die Aufhebung der Einschränkungen für Nahrungsmittellieferungen gefordert wurde.

Die amerikanische UN-Botschafterin Dorothy Sheato erklärte: „Israel hat das Recht, sich zu verteidigen. Dazu gehört auch, die Hamas zu besiegen und sicherzustellen, dass sie nie wieder in der Lage sein wird, Israel zu bedrohen. In dieser Hinsicht ist jedes Ergebnis ausgeschlossen, das die Sicherheit unseres engen Verbündeten Israel beeinträchtigt.“

Sheato stellte sich offen hinter die so genannte „Gaza Humanitarian Foundation“ (GHF) und erklärte: „Stattdessen rufen wir die UN und die NGOs dazu auf, die Gaza Humanitarian Foundation zu unterstützen, damit sie Hilfsgüter sicher verteilen kann, ohne dass sie von der Hamas abgezweigt werden.“ Sie unterstützte offen die Massaker in den Verteilungszentren der GHF und erklärte, das Vorgehen der GHF stände „im Einklang mit den humanitären Prinzipien der Menschlichkeit, Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit.“

Die USA hatten bereits unter der Biden-Regierung gegen eine ähnliche Resolution des Sicherheitsrates ihr Veto eingelegt und dabei im Grunde die gleiche Argumentation genutzt.

Der palästinensische UN-Vertreter Riyad Monsour erklärte im Sicherheitsrat: „Die bewusst herbeigeführte Hungersnot hat eine Zivilbevölkerung von insgesamt zwei Millionen Menschen, darunter eine Million Kinder, an den Rand des Hungertodes gebracht, und jetzt werden sie mit Hilfslieferungen in ein extrem begrenztes Gebiet des Gazastreifens gelockt, damit sie leichter abgeschoben und der Gazastreifen annektiert werden kann.“

Letzte Woche erklärte der Sprecher des UN-Büros für humanitäre Angelegenheiten (OCHA), Jens Laerke, vor der Presse: „Einhundert Prozent der Bevölkerung sind von einer Hungersnot bedroht“. Er bezeichnete den Gazastreifen als den „Ort mit dem größten Hunger auf der Welt“.

Er fügte hinzu, Israels anhaltende Blockade von humanitärer Hilfe im Gazastreifen mache die Versuche der UN, die Bevölkerung zu ernähren, zu „einer der am stärksten behinderten Hilfsoperationen, nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in der jüngeren Geschichte“.

Am Mittwoch erklärte der UNICEF-Sprecher James Elder, er sei „erschüttert“ über das Ausmaß der Unterernährung im Gazastreifen: „Ich habe Jugendliche gesehen, die mir unter Tränen ihre Rippen zeigten.“

Er verurteilte Israels tägliche Massaker an Hilfesuchenden mit den Worten: „Stellen Sie sich vor, Sie wissen, dass es ein Massaker geben wird, aber Sie sind so verzweifelt, dass Sie trotzdem hingehen, um Ihre Familie zu ernähren.“

Das Gesundheitsministerium von Gaza erklärte am Mittwoch, dass innerhalb der letzten 24 Stunden 95 Palästinenser getötet und 440 verwundet wurden. Damit ist die offizielle Zahl der Todesopfer im Gazastreifen seit dem 7. Oktober 2023 auf 54.607 Tote und 125.341 Verletzte angestiegen.

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